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  • Sophie Stern

Probleme, Lösungen und Zuhören...


Die aktuellen Zeiten fordern viele von uns heraus. Etliches, was selbstverständlich war, ist seit knapp einem Jahr nicht mehr so einfach möglich:

Kolleg_innen umarmen, jemandem ein Glas Wasser reichen und ungezwungen plaudernd auf der Straße beieinander stehen… sind da nur einige Beispiele. Das kann anstrengend sein. Alleine das ständige Nachdenken über Dinge, die wir sonst vielleicht gar nicht bemerkt hätten.

Gleichzeitig ist da auch mehr Sensibilität. Ich denke an das Erkennen, welche Emotion die Augen gerade vermitteln, weil der Rest von einer Maske verdeckt ist. An Fragen nach dem gegenseitigen Befinden, vielleicht mehr als sonst, weil wir sie miteinander teilen - diese Zeiten von Einschränkungen, aber auch von neuen Ideen und Wegen, in denen Kontakt und Solidarität stattfinden kann. Und an den Austausch über neue Medien und ihre Grenzen im emotionalen Kontakt, der dann verbal ausgedrückt wird…

Wir müssen uns über viel mehr über Selbstverständlichkeiten austauschen, manchmal nervt das und manchmal führt das uns vor Augen, wie reichhaltig die kleinen Dinge des Lebens sein können.

Wir gehen in Kommunikation, handeln Dinge miteinander aus, bilden Positionen und treffen Entscheidungen. Und gestalten über diese Kommunikation so unsere aktuelle Wirklichkeit. Die systemische Theorie sagt, Kommunikation über Probleme erzeugt eine Problemwirklichkeit und Kommunikation über Lösungen schafft eine Lösungswirklichkeit. Das Hören, Sehen und Sprechen über Infektionszahlen, Impfhotlines und Abstände kann mühselig und nervig sein.




Und dennoch habe ich gerade in diesen Zeiten den Eindruck, dass die Kommunikation alleine über Lösungen zu wenig ist. Im Miteinander Sprechen, sei es in Beratung oder auch im privaten Kontext, braucht es Abwägen zwischen dem Raum für das Leid und die Schwierigkeiten und dem Blick auf das Positive beziehungsweise, dem was hilft.

Viele Menschen wollen gehört werden, sie wollen gesehen werden, wenn es ihnen nicht gut geht. Sie wollen zumindest das Gefühl haben, verstanden worden zu sein. Erst Recht, wenn Veränderung gerade noch nicht greifbar ist und es sich nach einer langen Durststrecke anfühlt. Dafür braucht es Raum und Zeit. Wir sind gefordert darüber nicht einfach hinweg zu gehen, auch wenn nach einem Jahr die Schwierigkeiten, zum Beispiel das viele Alleine sein bei Singles und das Aufeinander Hocken von Familien, so sehr zur Normalität geworden sind. Die Anstrengung, die entstandene Müdigkeit und das angespannte Nervenkostüm sollten nicht weggeredet, sondern anerkannt und mit ausgehalten werden. Und erst dann stellt sich auch die Frage, was hilfreich wäre! Wenn der/ die andere dorthin schauen möchte und auch diese Anstrengung auf sich nehmen möchte. Denn Lösungen zu entwickeln und umzusetzen, kann auch harte Arbeit sein. Ist es gerade hilfreich und passend nach Lösungen für die Einsamkeit zu schauen? Nach den Ressourcen? Nach den Ausnahmen im Alltag, wenn es sich gerade leichter anfühlt? Nach den schönen Momenten in der letzten Zeit? Nach den kleinen Inseln im Alltag, die auch nach der Pandemie bleiben „sollen“? Adressat_innen von Beratung und Supervision sind die Expert_innen für sich selbst und wissen, was gerade hilfreich ist. Oft ist das die Suche nach den Ressourcen und Lösungen und manchmal auch „nur“ das offene Ohr und Mitgefühl. Dann erinnere ich mich gerne an Momo, die wunderbare Romanfigur von Michael Ende, die emphatisches Zuhören richtig gut konnte.


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